Auch in diesem Jahr wird unsere Jahrestagung wieder wie gewohnt im Dezember (am ersten Wochenende, den 07. & 08.12.2018) im Studierendenhaus auf dem Campus Bockenheim in Frankfurt am Main stattfinden. Thema der diesjährigen Tagung ist Gewalt.
Gewalt wird von der nachbürgerlichen Gesellschaft vielfach projektiv ausgestoßen und an ihren vermeintlichen Rändern wahrgenommen. Sie erscheint als etwas Böses, dass von außen kommt: als Eigenschaft sogenannter Extremist*innen etwa oder des Pöbels, der die eigenen Kinder schlägt, und sich vom gewaltfreien Konsens der Mehrheitsgesellschaft verabschiedet habe. Die durch Abgrenzung konstruierte gesellschaftliche Mitte wähnt sich auf diese Weise frei von Gewalt und rüstet gleichzeitig Polizist*innen mit Handgranaten aus oder diskutiert, wieso Flüchtende im Mittelmeer ertrinken müssen.
Die Gewalt allerdings, welche in den gesellschaftlichen Verhältnissen steckt, scheint sich der Wahrnehmung zu entziehen. Der Zwang zur Arbeit, die Delegation unwürdiger Produktionsverhältnisse an Menschen im sogenannten globalen Süden oder die Ausschreitungen der Exekutivkräfte gegen Demonstrationen wird vom Alltagsbewusstsein nicht als Gewalt erlebt. Sie trägt den Schein des Naturhaften, einer Ordnung, welche dem menschlichen Einfluss vermeintlich unverfügbar ist. Irritierend und erklärungsbedürftig erscheint Gewalt in dieser Perspektive dort, wo sie sich der Logik technischer Rationalität entzieht und/ oder als eruptive Gewalttat erlebbar wird – als Anschlag, als Attentat, als Terror, als Krieg.
In vielen Erklärungsversuchen der bürgerlichen Diskussion werden Gewalttaten dabei zum einen häufig als psychopathologische Abweichung in Absehung ihrer politischen und gesellschaftlichen Ermöglichungsbedingungen individualisiert — wie jüngst in der Aufarbeitung der Verbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds. Zum anderen werden individuelle Beweggründe für Gewalttaten durch Ideologien überblendet, welcher die Täter*innen selbst sich legitimatorisch bedienen und die ihrem Hass vor allem die Richtung weist, ihn aber eben nicht bedingt. Eine Tendenz, die etwa in der Diskussion islamistischer Anschläge augenfällig ist und häufig die uneindeutige Sozialisation der Täter*innen unter den Tisch fallen lässt.
Es wäre falsch, die laute Gewalt der Täter*innen auf die stumme der Gesellschaft zu reduzieren, weshalb die 6. Jahrestagung der Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie das Thema Gewalt auf der Ebene der Vermittlung von Individuum und Gesellschaft bearbeiten will: Wann und unter welchen sozialen, kulturellen und politischen Bedingungen schlagen Gewaltaffekte und ‑phantasien in Gewalttaten um? Welche situativen, gruppendynamischen und ideologischen Momente begünstigen den Gewaltakt? Welche Bedeutung hat das zumeist männliche Geschlecht der Täter*innen? Welche Bedeutung haben Privatheit und Öffentlichkeit für Gewalt? In welchen subtilen und offenen Formen erscheint Gewalt als Element von Beziehungen? Wann ist Gewalt normal, wann exzeptionell?
Das Programm wird in Kürze veröffentlicht werden. Stay tuned!