„Das Böse ist drau­ßen“ – Vom Gewalt­ver­hält­nis zum Nor­ma­l­un­ge­tüm

Unter dem Titel „Das Böse ist drau­ßen“ – Vom Gewalt­ver­hält­nis zum Nor­ma­l­un­ge­tüm fin­det, wie bereits ange­kün­digt, in die­sem Jahr am 07. & 08. Dezem­ber unsere Jah­res­ta­gung im Stu­die­ren­den­haus auf dem Cam­pus Bocken­heim in Frank­furt am Main statt.

Das Pro­gramm sieht fol­gen­der­ma­ßen aus:

Zunächst wird am Frei­tag die Mit­glie­der­ver­samm­lung von 16:00 — 17:30 Uhr statt­fin­den, bevor um 18 Uhr mit einer Podi­ums­dis­kus­sion der inhalt­li­che Part unse­rer Tagung beginnt: Es wer­den Teresa Koloma Beck, Micha Brum­lik und Julia König zu Begriff, Phä­no­men, Funk­tion und Psy­cho­dy­na­mik von Gewalt dis­ku­tie­ren.

Am Sams­tag wer­den wie gewohnt zwei Work­shop­p­ha­sen á drei Stun­den statt­fin­den.
In der ers­ten Phase, die von 10:00 bis 13:00 gehen wird, wer­den fol­gende Work­shops ange­bo­ten wer­den:

For­schungs­werk­statt Tie­fen­her­me­neu­tik (Hans-Die­ter König & Jan Lohl):
Erin­nern von Gewalt und Herr­schaft? Eine tie­fen­her­me­neu­ti­sche Ana­lyse der „Neuen Wache“
Ankün­di­gungs­text:
Die „Neue Wache“ ist „die zen­trale Gedenk­stätte der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land […]. Sie ist allen Opfern von Krieg und Gewalt­herr­schaft gewid­met“ (bund​e​re​gie​rung​.de). Erbaut 1816–1818 in Ber­lin diente sie als Denk­mal für die Gefal­le­nen der Napo­leo­ni­schen Kriege, ab 1931 für die des Ers­ten Welt­krie­ges. Wäh­rend einer Neu­ge­stal­tung als „Mahn­mal für die Opfer des Faschis­mus und Mili­ta­ris­mus“ in der DDR-Zeit wur­den in der „Neuen Wache“ die sterb­li­chen Über­reste eines unbe­kann­ten „Wider­stands­kämp­fers und KZ-Häft­lings“ (For­mu­lie­rung heute: unbe­kann­ter KZ-Häft­ling) sowie eines unbe­kann­ten Sol­da­ten aus dem Zwei­ten Welt­krieg bei­gesetzt – in der Erde aus Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern bzw. von Schlacht­fel­dern des Zwei­ten Welt­kriegs. 1993 wurde die Skulp­tur „Mut­ter mit totem Sohn“ von Käthe Koll­witz auf­ge­stellt; seit­dem ist die „Neue Wache“ zen­trale Gedenk­stätte der Bun­des­re­pu­blik.
In die­sem Work­shop wol­len wir die „Neue Wache“ tie­fen­her­me­neu­tisch ana­ly­sie­ren sowie eine Ein­ord­nung in die poli­tisch-kul­tu­relle Ent­wick­lun­gen dis­ku­tie­ren. Arbei­ten wer­den wir mit dem Text der Gedenk­ta­fel sowie mit Fotos. Wer Gele­gen­heit hat, die „Neue Wache“ zu besu­chen, ist ein­ge­la­den, einen Erfah­rungs­be­richt bei­zu­steu­ern.

AG Psy­cho­ana­lyse – Gesell­schaft – Kul­tur (Emi­lio Modena):
»Von der Aggres­sion zur Gewalt und Gegen­ge­walt — Von der struk­tu­rel­len zur offe­nen Gewalt und zum Krieg«
Ankün­di­gungs­text: 

Ich werde mög­lichst kurz (eine halbe Stunde) meine Aggres­si­ons­theo­rie, die ohne Todes­trieb aus­kommt, dar­stel­len, um dar­auf­hin auf die Frage zu spre­chen zu kom­men, wie Nar­ziss­mus zu ver­ste­hen sei. Ich wei­che auch da von den Freud­schen Annah­men ab. Ohne gesun­den und patho­lo­gi­schen Nar­ziss­mus zu ver­ste­hen, ist es mei­ner Mei­nung nach unmög­lich, zu erken­nen, wie aus gesun­der (lebens­not­wen­di­ger) Aggres­sion Sadis­mus und Gewalt her­vor­ge­hen. Bei letz­te­rer muss zwi­schen offe­ner und struk­tu­rel­ler Gewalt unter­schie­den wer­den. Was ist schon der Ein­bruch in eine Bank gegen die Grün­dung einer Bank? (frei nach Bert­hold Brecht) oder: »struk­tu­relle Gewalt ist die ver­meid­bare Beein­träch­ti­gung grund­le­gen­der mensch­li­cher Bedürf­nisse oder...des Lebens« (Johan Gal­tung). Das sind theo­re­ti­sche Vor­aus­set­zun­gen, wel­che die sub­jek­tive Seite der im übri­gen polit­öko­no­misch begrün­de­ten Ent­ste­hung von Krie­gen erläu­tern. Krieg ist keine der mensch­li­chen Gesell­schaft inhä­rente Kon­stante, son­dern his­to­risch in etwa seit der neo­li­thi­schen Revo­lu­tion ent­stan­den.

AG Psy­cho­ana­lyse und Kri­tik. Trans­dis­zi­pli­näre Per­spek­ti­ven (Nadja Meis­ter­hans & Stef­fen Pel­zel):
„Psy­cho­ana­lyse und Kri­tik. Trans­dis­zi­pli­näre Per­spek­ti­ven“
Ankün­di­gungs­text:

Ziel des Work­shops ist, psy­cho­ana­ly­ti­sche Ansätze mit Bezug auf ihren kri­ti­schen Gehalt zu befra­gen, d.h. sie ins­be­son­dere im Lichte post­ko­lo­nia­ler und femi­nis­ti­scher Theo­rie­an­sätze hin­sicht­lich erkennt­nis­theo­re­ti­scher Grund­fra­gen zu dis­ku­tie­ren.
Im Vor­der­grund steht die Frage: Was ist Kri­tik und wie ist sie unter Bedin­gun­gen nach­me­ta­phy­si­scher und/​oder post­mo­der­ner Begrün­dungs­er­for­der­nisse mög­lich?
Dabei soll nicht soll nicht zuletzt auch das Ver­hält­nis von Theo­rie und Pra­xis dis­ku­tiert wer­den. Gemäß der Idee, dass gute Theo­rie immer prak­tisch ist und gute Pra­xis sich immer theo­re­tisch reflek­tiert, soll ins­be­son­dere die Frage der Wis­sens­pro­duk­tion macht­kri­tisch hin­ter­fragt wer­den.
Exem­pla­risch wer­den wir Lacan (bzw. aus­ge­wählte post­ko­lo­niale Ansätze, die sich dar­auf bezie­hen) und But­ler (Con­ti­gent Foun­da­ti­ons) dis­ku­tie­ren.

 

Nach einer Mit­tags­pause geht es in der zwei­ten Phase von 14:00 — 17:00 Uhr mit die­sen drei Work­shops wei­ter:

AG Arbeit & Ado­les­zenz:

Die Jugend der Chefs. Zur Sozia­li­sa­tion der Gewalt
Ankün­di­gungs­text:
Hartzfa­mi­lie, bil­dungs­fern – das ist das ver­brei­tete Bild von »Jugend­ge­walt«. Sie erscheint als Unter­schichts­phä­no­men, unter den Tisch fal­len die nur manch­mal sub­ti­le­ren For­men der Mit­tel- und Ober­schich­ten. Der Work­shop befasst sich mit der ado­les­zen­ten Aneig­nung des Klas­sen­ha­bi­tus und sei­ner Umset­zung in sym­bo­li­sche Gewalt anhand von doing class-Sze­nen aus Lite­ra­tur, Film und Fern­se­hen.

AG Post­ko­lo­niale Per­spek­ti­ven und psy­cho­ana­ly­ti­sche Sozi­al­psy­cho­lo­gie:
Das „gefähr­li­che Gewalt­op­fer“. Zur Kri­tik eines aktu­el­len Dis­kur­ses über Geflüch­tete
Ankün­di­gungs­text:
Dass die Sorge um Men­schen sich auch mit Gewalt gegen sie ver­schrän­ken kann, ist bekannt; macht­volle Pro­zesse der Sozi­al­dis­zi­pli­nie­rung und Repres­sion las­sen sich auch unter Eti­ket­ten von The­ra­pie und Inte­gra­tion fin­den. So sorgt sich bei­spiels­weise die deut­sche Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, die Leo­pol­dina, in einer aktu­el­len Stel­lung­nahme einer­seits um das psy­chi­sche Wohl von Geflüch­te­ten (https://​www​.leo​pol​dina​.org/​u​p​l​o​a​d​s​/​t​x​_​l​e​o​p​u​b​l​i​c​a​t​i​o​n​/​2​0​1​8​_​S​t​e​l​l​u​n​g​n​a​h​m​e​_​t​r​a​u​m​a​t​i​s​i​e​r​t​e​_​F​l​u​e​c​h​t​l​i​n​g​e​.​pdf). Sie schlägt ein Scree­ning aller Geflüch­te­ten und flä­chen­de­ckende Kurz­zeit­the­ra­pien vor, um Trau­ma­ti­sier­ten schnelle Hilfe zu ver­schaf­fen.
Dabei unter­stellt sie jedoch ande­rer­seits die fol­gende Glei­chung: Flücht­ling = Poten­ti­ell trau­ma­ti­siert = Poten­ti­ell gefähr­det = Poten­ti­ell gefähr­lich. Der „sich nicht inte­grie­rende psy­chisch labile Flücht­ling“ kann in der Folge als eine Gefahr für die deut­sche Auf­nah­me­ge­sell­schaft behaup­tet wer­den. Sol­che Kon­struk­tio­nen einer „gefähr­li­chen Klasse der Flücht­linge“ stel­len eine Grund­la­gen eines ein­fluss­rei­chen neuen mora­li­schen Dis­kur­ses, der auch Legi­ti­ma­ti­ons­vor­la­gen in Bezug auf neue Abschie­be­re­ge­lun­gen, Poli­zei- und Psych­ia­trie­ge­setze lie­fern kann.
Im Work­shop wol­len wir uns die­sem Dis­kurs der „gefähr­li­chen trau­ma­ti­sier­ten Flücht­linge“ zuwen­den und über seine Grund­la­gen, Fol­gen wie über Mög­lich­kei­ten einer dif­fe­ren­zier­te­ren Debatte dis­ku­tie­ren.

Katha­rina Kär­gel & Christoph Rau­ner-Lange:
Gewalt im Bahn­hofs­vier­tel
Ankün­di­gungs­text:

Das Frank­fur­ter Bahn­hofs­vier­tel stellt für Ange­hö­rige des Dro­gen- und Pro­sti­tu­ti­ons­mi­lieus, aber auch für Anwohner*innen, Polizist*in-nen und Besucher*innen einen exem­pla­ri­schen Ort all­täg­li­cher Gewalt­er­fah­run­gen dar. Der ange­dachte Work­shop zielt dar­auf ab, aus sozi­al­psy­cho­lo­gisch-psy­cho­ana­ly­ti­scher Per­spek­tive die psycho-sozia­len Fol­gen der all­täg­lich erleb­ten Gewalt in all ihren Facet­ten her­aus­zu­ar­bei­ten, um zugleich für das Gefah­ren­po­ten­tial sowie not­wen­dige Prä­ven­ti­ons- und Unter­stüt­zungs­be­darfe auf­merk­sam zu machen. Dies soll auf Basis einer gemein­sa­men Bege­hung des Bahn­hofs­vier­tels gesche­hen, im Rah­men derer das Bahn­hofs­vier­tel als eth­no­gra­fi­scher Ort ver­stan­den wer­den soll.

 

Der Ein­tritt am Frei­tag ist frei, am Sams­tag zah­len Nicht-Mit­glie­der 10€ Tagungs­bei­trag (Cate­ring zum Mit­tag inkl.).
Eine Anmel­dung im Vor­feld ist nicht erfor­der­lich.

Im Vor­feld der Jah­res­ta­gung fin­det auch wie­der ein von der GfpS orga­ni­sier­tes For­schungs­kol­lo­quium (Don­ners­tag, den 06.12.2018, 10–18 Uhr Senats­saal im Juri­di­cum auf dem Bocken­hei­mer Cam­pus der Goe­the-Uni­ver­si­tät Frank­furt)  statt. Haupt­an­lie­gen des Kol­lo­qui­ums ist es, einen erkennt­nis­pro­duk­ti­ven Aus­tausch über psy­cho­ana­ly­ti­sche Sozi­al­psy­cho­lo­gie anhand aktu­el­ler For­schungs­pro­jekte zu ermög­li­chen: Das For­schungs­kol­lo­quium der GfpS stellt einen Raum dar, in dem (Nachwuchs-)Forscher_innen mit einer psy­cho­ana­ly­tisch-sozi­al­psy­cho­lo­gi­schen Ori­en­tie­rung ihre aktu­el­len Pro­jekte vor­stel­len und sich gegen­sei­tig bera­ten, unter­stüt­zen und aus­tau­schen kön­nen.
Das Kol­lo­quium ist offen für alle, die Inter­esse an aktu­el­ler For­schung sowie Lust haben, in einem Dis­kus­si­ons­raum zum Gelin­gen psy­cho­ana­ly­tisch-sozi­al­psy­cho­lo­gi­scher For­schung bei­zu­tra­gen; Vor­wis­sen ist dafür nicht nötig. Die Teil­nahme am For­schungs­kol­lo­quium ist kos­ten­frei.
Ein geson­der­tes Pro­gramm wird bald auf der Home­page der GfpS zu fin­den sein.