Seit sich die gar nicht mehr so neuen Sozialen Medien immer mehr verbreitet haben, gibt es Debatten darum, ob im virtuellen Raum Realitäten, Inszenierungen und Beziehungen subvertiert und emanzipatorisch verändert werden können oder ob sich nicht vielmehr auch in ihm vor allem die vorherrschende analoge gesellschaftliche Normalität niederschlägt und deren gewaltvolle Dynamiken reproduziert und sogar verstärkt werden.
Diese Ausgabe der Freien Assoziation geht den Potenzialen bzgl. der Frage von Geschlechterverhältnissen und ‑inszenierungen nach und lotet die Ambivalenzen des Mediums aus. In den zwei Haupttexten geht es um sehr unterschiedliche Formen der Identitätskonstruktion und Interaktionsprozesse in digitalen Räumen, in beiden aber gleichermaßen um geschlechtliche Inszenierungen, Skripte, in interaktiven medialen Formen. Im Zentrum des Beitrags von Melanie Hermann und Johanna Niendorf steht die Ausweitung von durch Männer an Frauen ausgeübter sexueller Gewalt in den digitalen Raum hinein: Thematisiert werden Handyaufnahmen von Gruppenvergewaltigungen, die im Internet verbreitet und zu einer erweiterten Gewaltdynamik führen, in der die betroffenen Frauen noch ein zweites Mal Opfer von misogyner Objektivierung und Erniedrigung werden. Janós Erkens geht dagegen der Internetnutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen nach, die sich nicht in dem ihnen binär zugeordneten Geschlecht wiederfinden, und fragt danach, welche Bedeutung das Internet für deren Identitätsfindung und als Ressource zur Bewältigung transspezifischer Erfahrungen hat.
Die beiden Hauptbeiträge werden wieder von zahlreichen Wissenschaftler:innen, aber auch Aktivist:innen kommentiert.
Mit Beiträgen von Marcus Beisswanger, János Erkens, Janina Faber, Felix Fink, Jörn Grebe, Ayline Heller, Melanie Hermann, Ronja Klose, Mäx Mareš, JustIn Monday, Johanna Niendorf, Susanne Richter, Marco Roock, Barbara Rothmüller und Tom D. Uhlig